Funk gegen Faschos

Die Hallenbande ist zurück und hat für ihr Publikum in der Datsche „nur das Beste“ für die Ohren und den Gaumen im Gepäck.

Text: Moritz Beasley

Bei der vergangenen Ausgabe der Konzertreihe „Beats & Butter“ begeistert die Hallenbande ihr Publikum mit alten und neuen Songs. Foto: MB

Bässe wummern durch Buckau. Selbst in der Basedowstraße sind sie leicht zu hören. Der Soundcheck läuft, irgendwo hinter Gartenzäunen. Wer an diesem Samstagabend zur Datsche unterwegs ist, bekommt früh einen Eindruck davon, was kommt: Funk, Groove, ein neuer Vibe. In Magdeburgs offiziellen Stadttouren taucht diese Straße kaum auf. In den Songs der Hallenbande dagegen regelmäßig – als Ort, als Gefühl, als Referenz. Dass mich mein Weg zur Konzertlocation genau hier entlangführt, passt fast zu gut.

Die Datsche liegt etwas versteckt, mitten im Viertel – ein Ort, der aussieht wie Kleingartenidylle, aber klingt wie Blockparty. An diesem Abend wird sie zum Schauplatz eines Konzerts, das sich irgendwo zwischen Kiez und Klanglabor bewegt. Der Weg dorthin wird zur Ouvertüre: erst Straße, dann Bühne, dann Bass. Die Hallenbande lädt im Rahmen der Konzertreihe Beats & Butter ein – auf eine Reise durch den Sound ihrer Stadt.

Ein Ruf, dem Magdeburgs HipHop-Heads, Kulturinteressierte und alle, die einfach einen guten Abend haben wollen, nur zu gern folgen. Die Band, deren Wurzeln im legendären – und in diesem Fall namensgebenden – Hallenhausen liegen, hat sich in den letzten Jahren einen Ruf errappt, der weit über Szenegrenzen hinausreicht. Die Voracts, die sie für den Abend gewinnen konnten, tun ihr übriges.

Punchline Quiz spielt Publikum warm

Den Auftakt gestaltet der Female HipHop Tresen – mit einem Punchline-Quiz, das das Publikum von Beginn an aus der Reserve lockt. In kleinen Teams wird geraten, welche Lines zu welchen Artists gehören. Die Mischung aus Knowledge, Glück und Humor trifft genau: Zwischen Paula-Hartmann-Lines, Hafti-Zitaten und Disarstar-Ansagen entsteht schnell eine Atmosphäre, die eher an WG-Küche als an Veranstaltungsraum erinnert.

Danach übernimmt Gaisma das Mic – die erste Musikerin des Abends, eigens aus Stuttgart angereist. Sie rappt und singt auf verträumte Beats, mal auf Deutsch, mal auf Englisch, manchmal beides. In ihren Texten geht es vor allem um Dinge, die sie nerven: Männer, Herzschmerz, Alltag und all die kleinen und großen Was-wäre-wenns.

Die Ehrlichkeit kommt an. Zwischen Lachen, Nicken und Mitwippen entsteht so etwas wie ein kollektives Abreagieren – ein musikalisches Abkotzen, das zusammenschweißt. Das Publikum ist wach, warm und bereit.

Rap aber in funky

Leichtes Spiel also für die Hallenbande, die ihren Auftritt mit alten Klassikern wie „Kein Konzept“ und „Mund auf“ beginnt. Die Crowd ist sofort dabei. Mir bleibt keine Zeit für Notizen – auch, weil auf der Bühne ständig was passiert. Immer wieder teasert Samoh an: „Nachher stoßen vielleicht noch Sean Megül & die Plantbased Boys zu uns.“

Was wie ein Witz klingt, sorgt zunächst für Verwirrung – und dann für Vorfreude. Zwischen tight gerappten Passagen und spontanen Ansagen blitzen hier und da kleine Textwackler oder zu frühe Einsätze auf. Doch das gehört zum Bild: Eine Band, die sich nicht zu ernst nimmt, aber sehr genau weiß, was sie tut. Der Vibe bleibt familiär – charmant unperfekt im besten Sinne.

Doch dann kippt etwas – oder besser: Es dreht sich weiter. Denn neben den Evergreens der Band, bei denen zwischen jedem Boom und Bap wie gewohnt gegen alle ausgeteilt wird, die es verdient – meist Nazis, Poser oder beides – mischen sich immer wieder Songs mit ungewohnt funkigem Sound unter das Set.

Das Geheimnis wird gelüftet

Kein Zufall. Zur Hälfte des Konzerts lüftet Samoh, der neben seinen Rhymes auch wieder als Moderator glänzt, das wohl am schlechtesten gehütete Geheimnis der Bandgeschichte: „In der Nacht werden wir zu Sean Megül & den Plantbased Boys.“

Was folgt, ist ein Bruch – aber kein Bruch mit der Bandidentität. Vielmehr eine Erweiterung: 808s und Hi-Hats weichen rhythmischem Geklatsche, warmen Bässen, synthlastigen Grooves. Einige im Publikum runzeln kurz die Stirn, aber die Skepsis verfliegt schnell.

Denn was Kaiko, Rolle, RG und Co an diesem Abend zeigen, ist mehr als ein Gag oder ein Stilwechsel. Es ist ein Statement: Man kann politisch und funky sein, pointiert und verspielt, tight und auf die Zwölf. Songs wie „Das ist der Funk“ und „Glatze“ bleiben sofort im Ohr – catchy Hooks, live präsentiert mit Energie und Selbstironie.

Mit Liebe überschüttet

Das ist durchaus bemerkenswert denn keiner der neuen Songs war vorher veröffentlicht worden. Das Album „Im Namen des Funks“ erscheint erst nach dem Konzert, exakt um Mitternacht – und feiert damit Premiere als Live-Release. Dass der ganze Ablauf funktioniert, liegt auch an einem, der sonst eher im Hintergrund bleibt.

Sean Megül – das ist in Wirklichkeit der Produzent und langjähriges Bandmitglied Schulleg. Wie seine Kollegen auf der Bühne betonen, hat er nicht nur die Beats gebaut, sondern auch das komplette Konzept, das Merchandising und das Release geplant. Dafür wird er mit Liebe förmlich überschüttet – auf und vor der Bühne.

Zum Abschluss dann noch ein Ritual: ein Tablett Kräuterschnaps, Gläser in alle Richtungen. „Von uns gibt’s nur das Beste für euch“, sagen die Bandmitglieder fast gleichzeitig – dann wird gemeinsam runtergezählt. Plötzlich steigen dutzende Gläser in den Magdeburger Nachthimmel. Kein Feuerwerk. Aber für einen kurzen Moment sieht es fast so aus.

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