Lennox Friese organisiert seit einem Jahr HipHop-Events in Magdeburg und geht damit jetzt sogar auf Deutschlandtour. Doch das soll erst der Anfang sein.
Text: Moritz Beasley

Lennox Friese geht mit JustRap auf Tour. Foto: MB
Der Asphalt glüht noch von der Junisonne, irgendwo dröhnt ein Moped vorbei. Ich lehne an einem Poller vor dem Nordpark, als Lennox Friese aus einem schlichten silberfarbenen Kleinwagen vor mir aussteigt: lockere Jogger, breites Grinsen, Handy in der Hand. „Sorry, Bro“, ruft er mir zu, „Wollte mich nochmal umziehen.“
Der Magdeburger ist ein paar Minuten zu spät. Kein Wunder: Mit nur 19 Jahren ist er bereits Veranstalter einer der aktivsten HipHop-Reihen in der Stadt, kennt gefühlt jede*n in der Szene und ist mit Größen wie Plusmacher längst per Du. Lennox hat sich in den letzten Jahren ein Netzwerk aufgebaut, das ihn heute in ganz Deutschland Bühnen planen lässt – auf eigene Faust, mit kleinem Team und großem Antrieb.
Wir gehen ein Stück durch den schattigen Park ehe wir uns auf eine Bank setzen. Lennox rutscht ein Stück nach hinten ehe er mir von seinem Projekt erzählt: Seit gut einem Jahr veranstaltet er die JustRap-Ciphers in Magdeburg – rohe Bühnen, offene Mikrofone, ehrlicher Vibe. „Mir geht’s um die Kunstform, weißt du? Scheißegal, wer du bist, wo du herkommst oder was du rappst. Wenn du was zu sagen hast, kriegst du die Bühne.“ Seine Stimme wird dabei lauter, fast trotzig.Was er meint, ist keine Phrase. Bei JustRap stehen die Acts vor und nach ihren Auftritten mit im Publikum, nicken im Takt der anderen, als wären sie Fans und Performer zugleich. „Wir haben eine Gruppe wo alle Künstler drin sind.“ Seine Freunde helfen beim Aufbau, beschriften und kleben Armbänder, zählen das Kleingeld in der Kasse. Lennox lacht: „Das machen wir immer. Ohne die Leute würde das nicht laufen.“ Und obwohl auf der Bühne auch mal böse gefrontet wird, ist der Ton herzlich. Props fliegen durch den Raum, Umarmungen gehören zum Standard. Die Moderation übernimmt der Sudenburger persönlich. „Ich probier so viel wie möglich selbst zu machen – dann weiß ich, dass es funktioniert.“ Das sagt er nicht als Kontrollfreak. Eher wie jemand, der genau weiß, wie leicht Dinge kippen, wenn keiner sich kümmert. Mit diesem Mindset hat er sein selbstgebautes Rap-Format jetzt sogar in die ganze Bundesrepublik exportiert.
Als er von der ersten JustRap-Cipher in Dresden erzählt, die im Mai stattgefunden hat, wird Lennox fast ehrfürchtig. „Ey, das war nur Abendkasse – und trotzdem war der Laden voll.“ Er schüttelt den Kopf, als würde er’s selbst noch nicht ganz glauben. „Dresden hat mich echt umgehauen. So viel Support, so viel Respekt untereinander.“ Das sei alles ungewohnt. Ich frage ihn, nach den Unterschieden zu der Rapszene in Magdeburg. Er überlegt kurz. Dann sagt er: „Hier ist das anders. Da guckt jeder ein bisschen zu sehr auf seinen eigenen Teller.“ Man merkt: Diese Einzelkämpfer-Mentalität nervt ihn. „Ich mach das hier für die Kultur, verstehst du?“ Seine Stimme wird fester. „Deshalb sollen auch alle reinkommen können. Ich heb die Ticketpreise nicht an – ich will nicht, dass Kohle entscheidet, wer Teil davon sein darf.“
Magdeburg soll im Fokus bleiben
Lennox kennt die HipHop-Szene in Magdeburg nicht nur von außen – sondern von ganz unten. Als Schüler tauchte er durch eigene Auftritte erstmals in die Community ein, lernte früh die Dynamiken hinter den Kulissen kennen. Doch statt immer weiter auf der Bühne zu stehen, entschied er sich irgendwann dafür, selbst die Bühne zu bauen. „Irgendwann hatte ich keinen Bock mehr aufs Rappen“, sagt er. Zu viel Gezeter, zu wenig Miteinander. Vor drei Jahren gibt er das Selbertexten auf – und beginnt umzudenken.
Damals war er ohnehin am Limit: familiäre Probleme, Geldsorgen, keine Perspektive. „Ich hab überlegt, wie ich irgendwie an Kohle komme – und dabei ist die Idee entstanden“, erzählt er. Aus der Not heraus wird JustRap geboren: erst als Rettungsanker, dann als Herzensprojekt. Heute sieht er darin einen Wendepunkt. Ohne diese Phase, glaubt er, hätte er das alles vielleicht nie gestartet.
Mittlerweile ist aus dem Einzelprojekt eine Firma geworden: Selfmade Events. Damit organisiert er regelmäßig Veranstaltungen, mietet Technik, koordiniert Line-ups, macht Promo. Die Rolle liegt ihm. Kritik zieht ihn nicht mehr runter, sie treibt ihn an. „Ich hör selbst fast nur HipHop. Aber ich merk, dass ich mit dem, was ich jetzt mache, mehr bewirken kann.“
Getec-Arena ist das Ziel
Dass er große Pläne hat, ist spätestens zu merken, als er von der Zukunft von JustRap spricht. Er lehnt sich stolz zurück, legt den Arm auf die Rückenlehne. „Für das nächste Jahr ist geplant, dass wir jeden Monat drei bis vier Events veranstalten.“ Mehr als doppelt so viel, wie es momentan sind. Das sei zwar stressig, sagt er, aber notwendig – denn das Ziel ist groß: „Wir wollen irgendwann mal die Getec-Arena füllen, vielleicht in drei oder vier Jahren. Daran arbeiten wir gerade.“ Große Namen wie Sido oder Bushido nach Magdeburg zu holen, das sei sein Traum. Sein Bruder habe ihm damals die ersten Tapes der Berliner Rapper gezeigt – damit habe alles angefangen. Seitdem brennt in ihm der Wunsch, seine Stadt auf die Karte zu packen. „Die Leute können sich auf was gefasst machen, was in Magdeburg noch nie passiert ist“, sagt er – ohne ein Lächeln diesmal.
Für Lennox Friese steht fest: Der Fokus von JustRap soll trotz deutschlandweiten Erfolgen Magdeburg bleiben. Auch wenn ihm die Stadt nicht alles leicht gemacht hat – die Verbindung ist geblieben. Dort ist er schließlich groß geworden. „Ich kenne hier in Magdeburg fast jeden“, sagt er. „Hier hat man Krach und Ruhe gleichzeitig, und das ist, glaube ich, recht selten.“
Ein Kontrast, der auch zu seinem aktuellen Leben passt. Die nächsten Veranstaltungen stehen an, der Kalender ist voll. Duisburg, Erfurt, dann das große Einjährige in Magdeburg – mit Special Guests. Zwischen Hotels, Bühnen und Backstageräumen wird er pendeln, die WhatsApp-Gruppe im Dauermodus. Und trotzdem: Der Fixpunkt bleibt die Heimat, in der alles angefangen hat.