„Magdeburg ist ehrlich, direkt – die Leute sind einfach real.“

Lina und Sophia bilden das HipHop-Duo Moeri aus Magdeburg. Im Gespräch mit Quasi erzählen sie über ihre Freundschaft, warum ihnen Authentizität wichtiger ist als Hype – und was Hans Zimmer mit ihrer Musik zu tun hat

Text: Moritz Beasley

Das HipHop-Duo Moeri: Lina (links) und Sophia (rechts). Bild: Moeri

„Nachher treten noch Moeri auf“, sage ich an einem sommerlich warmen Abend irgendwann im August zu meinem Homie, während ich auf meinem billigen Sub kaue. Bevor es in Luises Garten geht, wird sich bei Subway gestärkt – das ist Tradition. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass wir an diesem Abend bei dem Musikevent Niggsen & Friends eine der spannendsten weiblichen HipHop-Formationen aus Magdeburg kennenlernen werden.

Moeri – ausgesprochen „Moe“ wie Wagner und „Ri“ wie Hanna – das sind Lina und Sophia. Die beiden sind beste Freundinnen seit Kindertagen und haben schon in Magdeburg gemeinsam mit der Musik angefangen, lange bevor das Studium sie in den fernen Süden verschlug. Ihr Herz schlägt trotzdem weiterhin für die Ottostadt, das zeigen sie vor allem in ihren Texten. Kein Show-Gehabe, kein falscher Druck – stattdessen zwei junge Frauen, die sich blind verstehen, einander den Rücken stärken und genau wissen, wie sie ihre Musik ehrlich rüberbringen. Davon kann ich mir bei ihrem Auftritt in Luises Garten selbst ein Bild machen – und bin sofort ein Fan.

Monate später treffe ich die beiden dann in einem Zoom-Call zum Gespräch – über Magdeburg, Freundschaft, Politik und das Musikmachen zwischen Uni-Stress und großen Ambitionen.

Moritz (Quasi): Ihr habt vor Kurzem beim Niggsen & Friends-Abend in Luises Garten hier in Magdeburg gespielt. Ich war im Publikum – die Stimmung war super. Wie habt ihr den Abend erlebt?

Lina (Moeri): Das war wirklich einer der schönsten Auftritte, die wir bisher in Magdeburg hatten. Das Publikum war total offen und freundlich, und auch das ganze Drumherum hat einfach gepasst. Die Kommunikation mit Niggsen, die das organisiert haben, war super – alle waren total hilfsbereit. Schon beim Soundcheck hat man gemerkt: Hier supporten sich alle gegenseitig. Dazu kamen viele Freund:innen, die wir lange nicht gesehen hatten. Der Abend hat uns echt gepusht – vor allem nach dem ganzen positiven Feedback. Das hat uns wieder gezeigt: Auch wenn’s manchmal stressig ist mit der Uni, es lohnt sich weiterzumachen.

Sophia (Moeri): Voll! Ich hatte das gleiche Gefühl. Die ganze Atmosphäre war einfach schön. Ich finde die Konzertreihe in Luises Garten sowieso mega – dass es so etwas in Magdeburg gibt, ist echt besonders. Und die Afterparty danach war auch noch ein Highlight.

M: Ihr steht schon ziemlich lange zusammen auf der Bühne. Wann hat das mit der Musik bei euch eigentlich angefangen?

L: So richtig angefangen haben wir 2019.

S: Genau, das war das Jahr, in dem wir unseren ersten gemeinsamen Songtext geschrieben und unseren ersten Auftritt hatten – bei Fridays for Future in Magdeburg. Über einen Freund kam damals die Connection zu einem Open Mic. Das war unser erster Moment auf der Bühne als Duo. Unser erster richtiger Release kam dann 2023 mit „Lieg bei dir“. Davor gab’s noch einen Song namens Antidruckvision, aber den haben wir wieder runtergenommen.

L: Ja, der war uns irgendwann einfach nicht mehr ganz recht. (lacht)

M: Ihr kennt euch ja schon ewig. Wie weit geht das zurück?

L: (lacht) Ziemlich weit. Unsere Eltern kennen sich schon lange, deswegen eigentlich seit wir denken können. Wir waren in der gleichen Krippe, im Kindergarten, auf der Grundschule und sogar auf demselben Gymnasium.

S: Lina war einfach immer da. (lacht) Wir haben wirklich alles zusammen gemacht – unsere Geschwister sind befreundet, unsere Mütter auch. Wir sind zusammen groß geworden.

M: Auf der Bühne merkt man sofort, dass ihr eine besondere Dynamik habt. Wie würdet ihr die beschreiben?

S: Ich glaube, das Besondere ist, dass wir uns gegenseitig total auffangen. Wenn eine von uns mal stolpert oder unsicher ist, merkt das wahrscheinlich niemand außer uns. Die andere pusht dann einfach die Crowd oder übernimmt kurz.

L: Vor Auftritten ist fast immer eine von uns nervös. Wenn Sophia sagt: „Oh mein Gott, ich bin aufgeregt“, dann denke ich sofort: „Nee, alles gut, das wird toll.“ (lacht) Wir bringen uns gegenseitig runter und geben uns Energie. Das ist so ein unausgesprochenes Vertrauen, das einfach funktioniert.

S: Ja, und es ist uns superwichtig, dass wir uns beide wohlfühlen. Wir performen Songs lieber gemeinsam, als dass eine nur zuschaut. Wir wollen, dass die Performance echt ist, nicht einfach nur die Spotify-Version nachspielen.

M: Was habt ihr voneinander gelernt – musikalisch oder menschlich?

S: (überlegt) Eigentlich alles. Wir sind zusammen groß geworden, also habe ich auch unglaublich viel von Lina gelernt – besonders Selbstvertrauen. Dieses „Wir können das, wir dürfen das“ kommt stark von ihr.

L: Und ich habe von Sophia gelernt, einfach zu machen. Ich bin oft zu verkopft, will Dinge perfekt haben. Sophia hat mir gezeigt: Probier’s einfach aus, zeig’s Leuten, hab keine Angst davor, dass es noch nicht fertig ist.

S: (nickt) Ja, das ergänzt sich gut.

L: Einmal waren wir im Studio mit einem Producer, den wir noch gar nicht kannten. Ich hab einfach gesagt: „Nee, so will ich das nicht – wir machen das anders.“ Sophia war da früher vielleicht etwas schüchterner, heute sind wir da beide viel klarer. Wir haben uns gegenseitig dahin gebracht.

M: Ihr habt ja mit politisch geprägten Songs angefangen, seid aber inzwischen thematisch breiter. Wie kam es zu dieser Entwicklung?

S: Am Anfang war es einfacher, politische Texte zu schreiben. Auf Demos wussten alle, dass wir die selbe Meinung haben. Persönlich zu werden, war schwieriger – wir lassen die Songs viel näher an uns ran. Aber genau das hat uns als Künstlerinnen weitergebracht.

L: Früher war der Text das Wichtigste. Heute denken wir in Songs – also Text, Beat, Stimmung. „Lieg bei dir“ war da ein Wendepunkt: sehr persönlich, mit echten Instrumenten produziert. Wir waren nervös, weil uns vorher alle nur als „politisch“ kannten, aber das Feedback war super. Jetzt haben wir beides – politische Themen, aber auch Emotionen.

S: Und es passiert oft automatisch. Wenn ein Beat eine bestimmte Stimmung hat, schreiben wir einfach das, was dazu passt.

L: Außerdem benutzen wir mehr Metaphern. Früher war alles sehr direkt. Heute ist’s subtiler – Songs wie „Winter im Kopf“ oder „Wer hoch fliegt, fällt tief“  haben zwar politische Messages, aber du musst sie zwischen den Zeilen lesen.

M: Ihr seid jetzt in Heidelberg und Mainz zuhause. Wie läuft das gemeinsame Arbeiten auf Distanz?

L: Eigentlich ganz gut. Wir schreiben oft parallel, schicken uns Ideen oder Sprachnachrichten. Wenn mir ein Part von Sophia gefällt, schreibe ich direkt was dazu. Und wenn’s passt, treffen wir uns zum Aufnehmen – meist pendeln wir zwischen den Städten.

S: Trotzdem wäre es natürlich cool, irgendwann wieder in einer Stadt zu wohnen. Es ist schon manchmal anstrengend, alles online zu machen.

M: Wie würdet ihr euren Sound jemandem beschreiben, der euch noch nie gehört hat?

L: (überlegt) Melodischer Rap, würde ich sagen. Oft sprechen wir die Strophen und singen die Hooks. Es ist also nicht purer Hip-Hop, aber auch kein klassischer Pop. Wir mögen Harmonien und diese Mischung aus Ernst und Leichtigkeit.

S: Ja, genau. Uns geht’s immer darum, dass die Emotionen stimmen.

M: Gibt’s Themen, die euch besonders wichtig sind?

L: Also ich sag das mal aus einer sehr privilegierten Sicht: Ich mache gerne Musik für unsere Generation. Wir schreiben über das, was wir wirklich erleben – Uni, Herzschmerz, unsere Freundschaften in Magdeburg. Wir würden nie über Dinge schreiben, die nicht zu uns gehören.

S: Genau, ehrlich zu sein ist uns wichtig. Wenn wir traurig sind, schreiben wir darüber, und wenn’s politisch wird, dann, weil uns das Thema wirklich beschäftigt.

M: Stichwort Magdeburg – in euren Songs taucht eure Heimatstadt ja sehr oft auf. Sogar auf Instagram verweist ihr auf die Stadt. Was bedeutet sie euch heute noch?

S: Magdeburg ist unsere Heimat. Wir verbinden so viele Erinnerungen mit der Stadt. Seit ich in Mainz wohne, merke ich erst, wie besonders das ist, aus dem Osten zu kommen. Magdeburg hat so viele tolle Leute, eine lebendige Szene, Events wie in Luises Garten oder das Smoke Loud Festival – das ist alles ein Teil von uns.

L: Total. Ich vermisse die Stadt oft. Magdeburg ist ehrlich, direkt – die Leute sind einfach real. In Heidelberg finden mich alle total witzig, in Magdeburg bin ich einfach normal. (lacht) Ich finde, die Stadt ist total underrated. Klar will man irgendwann raus, aber im Rückblick sagen alle: „Das war die beste Zeit.“

M: Habt ihr das Gefühl, noch Teil der Magdeburger Szene zu sein?

S: Wir waren definitiv mal Teil davon, aber die räumliche Distanz macht’s schwierig. Ich würde sagen: Wir sind die Freundinnen, die weggezogen sind. (lacht)

L: Genau! Man sieht sich halt selten, aber die Szene wächst ja ständig. Es gibt viele neue Artists, vorallem welche in unserem Alter, die wir erst jetzt kennenlernen – wie Niggsen zum Beispiel. Es ist spannend zu sehen, wie sich alles entwickelt.

M: Als ihr angefangen habt, war die Szene in Magdeburg ja noch kleiner – und männlicher. Wie habt ihr das damals erlebt?

S: Unser erster Auftritt bei Fridays for Future war über eine Connection, danach kam schnell Kontakt zum Female HipHop Tresen. Aber insgesamt war’s schon überschaubar. Meistens waren wir auf Demos unterwegs, nicht auf klassischen Musikveranstaltungen.

L: Ja, wir haben sehr politisch gerappt, weniger Party. Gruppen haben uns dann angeschrieben: „Wir machen eine Demo, wollt ihr am Ende auftreten?“- das war eher politisch als musikalisch, also nicht unbedingt teil der Musikszene.

M: Und heute – wie ist es für euch, als Frauen im Hip-Hop aufzutreten?

S: Wir fühlen uns auf jeden Fall respektiert mit allen Leuten mit denen wir zusammenarbeiten. Wir arbeiten nur mit Leuten, die uns ernst nehmen – das ist uns superwichtig. Klar, wir würden gern mal mit einer Producerin zusammenarbeiten, aber grundsätzlich haben wir nie das Gefühl, dass wir nur wegen unseres Geschlechts gebucht werden.

L: Manchmal fragt man sich kurz: „Wurden wir vielleicht wegen der Quote eingeladen?“ Aber meistens merkt man schnell, dass das nicht so ist. Die Leute feiern uns, weil sie unsere Musik mögen – und das ist das schönste Gefühl.

M: Welche Artists haben euch musikalisch geprägt?

S: Ganz viele! Wir hören beide Billie Eilish total gern – sie inspiriert uns sehr. Und unser erstes gemeinsames Konzert war bei PTK in Magdeburg, das hat uns auch geprägt.

L: Wir lassen uns eher von Songs als von Artists inspirieren. Bei Billie Eilish sind’s bestimmte Tracks, bei PTK die Texte. Und dann auch ganz andere Sachen – Filmmusik zum Beispiel. Wir haben letztens Hans Zimmer gehört und dachten: „Das müssen wir irgendwie einbauen!“ (lacht)

S: Ja, oder Synth-Sounds, die wir irgendwo aufschnappen – wir teilen alles sofort miteinander.

L: Wir checken immer sofort, was die andere meint.

M: Was steht bei euch als Nächstes an?

L: Wir konzentrieren uns gerade auf Singles. Zwei Ideen stehen schon, eine davon hat Sophia mir gestern geschickt – fand ich sehr geil. Wir wollen das vielleicht noch dieses Jahr aufnehmen.

S: Und wir haben mega Lust auf Features. Da könnte bald was kommen.

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